Exkursion nach England

unter der Leitung von PD Dr. Jürgen Müller

17. bis 27. September 2009

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Danksagungen

Für die finanzielle Unterstützung, den persönlichen Empfang und die Betreuung, die Organisation von Hotels, Führungen und Bewirtungen sowie für den sicheren Transport danken wir folgenden Institutionen und Personen:

Für intellektuelle Inspiration, lehrreiches Vergnügen und seelische Erbauung danken wir:

Für elf Tage sonniges, warmes Wetter danken wir:

Vorbemerkung

Die Exkursion erfolgte im Zusammenhang mit dem Seminar „England im elisabethanischen Zeitalter“, das im Sommersemester 2009 von PD Dr. Jürgen Müller am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität durchgeführt wurde. Neben mehreren Seminarteilnehmern nahmen an der Exkursion einige weitere Studentinnen und Studenten, darunter auch zwei Seniorenstudenten teil. Hinzu kamen einige externe Teilnehmerinnen. Insgesamt beteiligten sich an der Exkursion 15 Personen (einschließlich Exkursionsleiter).

Finanziert wurde die Exkursion durch Eigenbeiträge der Teilnehmer/innen, Zuschüsse des Historischen Seminars der Johann Wolfgang Goethe-Universität und des Fördervereins Geschichtswissenschaften „historiae faveo“ sowie durch ein private Spenden. Eine detaillierte Aufstellung der Kosten findet sich im Anhang zu diesem Bericht.

Die Reise führte von Frankfurt über Dover, London, Canterbury, Cambridge, Stratford, Win-chester und Dover wieder zurück nach Frankfurt. Folgende Orte und Einrichtungen wurden besucht:

Der genaue Ablauf der Exkursion mit den besuchten Orten und Einrichtungen findet sich auf der folgenden Seite.

Exkursionsprogramm

Tag Datum The Day's Treat Zeit Programm Übernachtung
Do 17.09. Hit the Road Day 8.00 Abfahrt Frankfurt Campus Westend Hotel Ramada Dover
18.25 Überfahrt Calais-Dover
19.00 Ankunft Dover
20.00 gemeinsames Abendessen im Hotelrestaurant
Fr 18.09. Dover Day 10.00 Besichtigung Dover Castle Holiday Inn Brentford Lock
13.00 Weiterfahrt nach London
16.00 Nachmittag zur freien Verfügung
Sa 19.09. London Day 10.00 Führung National Archives, Kew Holiday Inn Brentford Lock
15.00 Besichtigung Westminster Abbey
19.30 Globe Theatre: „Troilus and Cressida“
So 20.09. Lizzy's Day 10.00 Besichtigung Hampton Court Palace Holiday Inn Brentford Lock
15.00 Nachmittag zur freien Verfügung
20.00 Abendkolloquium: „Sweat Lady“ and „wild horse“ – Elisabeth und Essex
Mo 21.09. Canterbury Day 10.00 Museum of London mit Führung „Life in Tudor London“ Chaucer Hotel Canterbury
14.00 Weiterfahrt nach Canterbury
17.30 Evensong in der Canterbury Cathedral
20.00 Pub Meal im „White Horse“ in Chilham
Di 22.09. Canterbury Day 10.00
Besichtigung Canterbury Cathedral Chaucer Hotel Canterbury
14.00 Führung King’s School
15.30 Führung Kathedralarchiv (Gruppe 1)
16.15 Führung Kathedralarchiv (Gruppe 2)
18.30 Empfang und Buffet im Gateway Chamber/King's School
19.30 Vortrag von Dr. J. Müller in der King's School
Mi 23.09. Cambridge Day 9.00 Besichtigung Chilham Express by Holiday Inn Cambridge
10.00 Weiterfahrt nach Cambridge
13.00 Ankunft Cambridge
14.00 Stadtführung Cambridge
19.00 gemeinsames Abendessen im Pitt Club
Do 24.09. Burghley Day 9.00 Weiterfahrt nach Stamford Express by Holiday Inn Cambridge
10.30 Besichtigung Burghley House and Gardens
16.00 Rückfahrt nach Cambridge
20.00 Abendkolloquium: Shakespeare
Fr 25.09. Will's Day 8.30 Weiterfahrt nach Kenilworth Best Western Salford Hall
10.30 Besichtigung Kenilworth Castle
11.30 Picknick im Kenilworth Castle
12.30 Weiterfahrt nach Stratford
13.00 Besichtigung Anne Hathaway's Cottage
14.30 Besichtigung Geburtshaus Shakespeare
16.00 Besichtigung Nash's House/New Place
16.30 Besichtigung Holy Trinity Church (Grab Shakespeares)
20.00 Abendkolloquium: Sense and Sensibility – Jane’s World
Sa 26.09. Jane's Day 8.30 Weiterfahrt nach Winchester Hotel Ramada Dover
11.00 Besichtigung Winchester Cathedral
12.30 Spaziergang am River Itchen zum Hospital of St. Cross
14.30 Weiterfahrt nach Chawton
15.00 Besichtigung Jane Austen’s House Museum in Chawton
16.30 Weiterfahrt nach Dover
20.00 gemeinsames Abendessen im Hotelrestaurant
So 27.09. Coming Home Day 8.00 Abfahrt Dover As you like it
8.30 Überfahrt Dover-Calais
20.00 Ankunft Frankfurt

Tagesberichte

Donnerstag, 17.9.2009: Hit the Road Day (Jochen Nimbler)

„Antreten zum Desinfizieren!“

Erstmals auf dem Restplatz in Aachen erteiltes und in den folgenden Tagen regelmäßig wiederholtes Kommando zur vorbeugenden Desinfektion der Hände mit „Sterillium“, um möglichen Schweinegrippeviren den Garaus zu machen. Die Aktion wurde unter fachkundiger Leitung von Schwester Vera durchgeführt und war ein voller Erfolg: Niemand ist auf der Exkursion erkrankt.

Am 17. September 2009, einem fast wolkenlosen Donnerstagmorgen, wurde die vorlesungsfreie Stille des Campus Westend durch das Rollen von Trolleys durchbrochen. Trotz der für Studenten ungewöhnlichen Uhrzeit von 7.30 Uhr bildete sich langsam vor dem Haupteingang eine kleine, anwachsende Menschentraube, die in freudiger Erwartung einen ersten Austausch vornahm und dabei den blauen Himmel bewunderte, welcher ein Vorbote der kommenden Tage werden sollte. Mit bereits jetzt vollgepackten Koffern wurde die Ankunft des Reisebusses erwartet. Erste kleinere Absprachenprobleme mit dem Pförtnerdienst der Universität sollten aber die einzigen etwas drückenden Erinnerungen an den ersten Tag bleiben. Die logistisch notwendige Verlegung des Einstiegs auf den Mitarbeiterparkplatz wurde gemeinschaftlich mit wenigen Gängen und vielen helfenden Händen bewerkstelligt. Erfahrene Exkursionsteilnehmer waren bereits gewappnet, während die schiere Größe und der Komfort des auf den Parkplatz vorfahrenden Reisebusses die Exkursionsneulinge in Staunen versetzte; Herr Dr. Müller hatte in keiner Vorankündigung übertrieben. Vor uns stand ein hochmoderner Reisebus der Firma Emmel, der unserer Exkursionsgruppe von 16 Personen Platz und Bequemlichkeit im Überfluß garantierte. Entgegen allen Erwartungen an studentische Reisegruppen konnte die Abfahrt pünktlich um kurz nach 8.00 Uhr erfolgen.

Mit dem Verlassen des Campus begann der erste Abschnitt unserer Englandexkursion. Sorgen und Bedenken um die lange Exkursion oder vergessenen Lesestoff, Reiseutensilien oder Regenschutz konnten dank unseres Dozenten Dr. Müller bereits im Keim erstickt werden. Dr. Müller erwies sich als „allumsorgend“ und der verschiedenen Strömungen und Vorlieben der Gruppe bewußt. So versorgte er die überraschte Gruppe bereits auf der Hinfahrt mit der aus damaliger Sicht noch als notwendig erachteten Zusatzausstattung eines Exkursionsregenschirms. Dieser blaue Regenschirm mit aufgedrucktem Universitätslogo sollte dem englischen Wetter seine Gefährdung der Programmpunkte oder der Stimmung nehmen. Den verschiedenen Lektürevorlieben wurde er gerecht, indem er neben diversen Tageszeitungen eine Zeitschrift für jeglichen Geschmack, sei es Brigitte, Stern oder gar Emotion, besorgt hatte. Die Fahrt stand somit mehr als nur zeitschriftentechnisch unter einem guten Anfangsstern.

Nachdem unser Busfahrer Herr Maurer uns sicher auf die A3 brachte, folgte unsere Route dem Verlauf in Richtung Köln, weiter über Aachen, Lüttich, Brüssel bis zum Hafen von Calais und von dort per Fähre zum Tagesziel Dover.

Der schon am Morgen blaue Himmel wurde nun durch eine strahlende Sonne und fast sommerliche 21° C erweitert. Die Landschaft auf der Fahrt erwies sich als sehr abwechslungsreich und bot somit neben den Zeitschriften und eigenem Lesestoff einen reizvollen Anblick. Herr Feser fokussierte jedoch nach Überschreiten der belgischen Grenze das Interesse des gesamten Busses auf die durch die Lautsprecher kommenden Informationen über die englische Gotik. Trotz Jahrhunderten der Überbauung, unter denen die seit 1066 als Prozeß zu verstehende englische Gotik litt, schaffte Herr Feser es, die Gotik bildlich durch Sprache vor den Augen der Zuhörer wiederauferstehen zu lassen. Die verschiedenen Einflüsse und Entwicklungen, welche die englische Gotik nicht zu einem Plagiat der europäischen machten, sondern ihr einen ganz eigenen, für uns in den kommenden Tagen herauszufindenden Charme gaben, waren es, die sein besonderes Interesse gefunden hatten. Sowohl normannische als auch französische Einflüsse spielten bei der Entwicklung der englischen Gotik eine Rolle, ebenso die realpolitische Situation und die aufkommende, durch die Kreuzzüge bestärkte Heiligenverehrung. Letztere sollte sich für uns in Canterbury und Westminister, beides Pilgerzentren im Hochmittelalter, als visuell greifbar erweisen.

Von Stau und Baustellen, zu unserer eigenen Verwunderung weitestgehend verschont, erreichten wir bei bereits sinkender Sonne Calais. Die Überfahrt erfolgte leicht verspätet, wofür jedoch der atemberaubende Sonnenuntergang auf See entschädigte. Der Blick auf die weißen Kreidefelsen wurde uns leider von umhüllender Dunkelheit verwehrt.

Durch die zwölfstündige Fahrt ermüdet, waren alle Teilnehmer mehr als dankbar, als wir in Dover anlegten und nach kurzer Fahrt unser Hotel, welches keine zehn Minuten von der Fähre entfernt lag, erreichten. Das Ramada Hotel ließ durch seine bequeme, saubere Art selbst letzte Befürchtungen zerplatzen. Das erste Menü schmeckte aus der Retrospektive nicht nur nach einem Tag der Raststättenverpflegung, sondern setzte, besonders durch sein Dessert, einen mächtigen Schokoladenkuchen englischer Eigenart, welcher sich als Everest selbst für gute Esser erwies, einen kulinarischen Akzent. Anklang fand die gute Stimmung bei einem gemütlichen Ausklang in der Hotelbar, welche ironischerweise, entgegen englischer politischer Realität, den Namen Europa trug.

Freitag, 18.9.2009: Dover Day (Ulrich Fischer)

„We are no couple.“

Versuch zweier Studentinnen, die sich im Hotel ein Doppelbett teilen mußten, dem rumänischen Zimmermädchen ihren Wunsch nach einer zweiten Bettdecke zu begründen.

Um 10.00 Uhr brachen wir vom Ramada-Hotel Dover in Richtung Dover Castle auf und erreichten dieses nach kurzer Fahrt wenige Minuten später. Die Geschichte dieser Burg beginnt bereits im 1. Jahrhundert, als die Römer an dieser Stelle einen Leuchtturm errichteten, welcher – zwischenzeitlich verfallen und wieder aufgebaut – im heutigen äußeren Hof der Burg steht. Direkt neben dem Leuchtturm befindet sich eine alte Kirche aus sächsischer Zeit, die größtenteils von den Soldaten genutzt wurde, welche während der verschiedenen Jahrhunderte in der Burg stationiert waren.

Unser Gang führte uns anschließend in die „Secret Wartime Tunnels“, ein Tunnelsystem, das teilweise während der napoleonischen Zeit errichtet wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Tunnels weiter ausgebaut zu einer militärischen Kommandozentrale, in der bis zu 2000 Menschen arbeiteten. Von hier aus wurde 1941 die Evakuierung englischer und französischer Soldaten aus Dünkirchen geleitet. In einer hervorragenden Führung – so konnte man z. B. in der Küche Essensgeruch wahrnehmen – wurde die damalige Situation in den Tunnels greifbar.

Anschließend gingen wir in den inneren Hof der Burg, wo sich im Burgfried eine Ausstellung über die dortige Lebenssituation während des Mittelalters befand.
Nachdem wir Dover Castle verlassen hatten, ging es auf die zweite Station der Exkursion: nach London. Die Fahrt dauerte etwa drei Stunden, der verbliebene Nachmittag und Abend blieb den Exkursionsteilnehmern zur freien Verfügung. Die meisten von uns nahmen sogleich die Londoner Innenstadt in Angriff. Dort besuchten wir zunächst den Piccadilly Circus und anschließend den Leicester Square Garden, an dessen Seite ein auf einer kleinen Leiter stehender Schreihals seinen kleinen, staunenden Publikum von den charakterlichen Abgründen seines strafenden Gottes berichtete und mitteilte, daß uns alle nur ein tiefer und unerschütterlicher Glaube vor dem Verderben erretten könne. Auf dem belebten Trafalgar Square war ein riesengroßes Schachbrett aufgebaut worden. Schach gespielt werden sollte hier allerdings erst zwei Tage später.

Anschließend teilte sich die Gruppe in zwei Teile auf. Die eine ging in einen englischen Pub, um traditionell Fish and Chips zu essen, die andere nach China Town in ein chinesisches Restaurant. Nach der gemeinsamen Rückfahrt ließen wir den Tag schließlich gemeinsam in der Hotelbar ausklingen.

Samstag, 19.9.2009: London Day (Claude Legueltel)

„Why me?“

Existenzphilosophisch tiefgründige, aber theologisch sinnlose Frage, die sich Adrian Ailes, unser Führer im Nationalarchiv stellte. Der Anlaß dazu war ein Erlebnis, welches er bei einer anderen Führung hatte: Nachdem er einen römisch-katholischen Bischof und vier Nonnen durch das Archiv geleitet hatte, brachte er sie zum Aufzug, damit die schon etwas älteren Herrschaften bequem ins Erdgeschoß fahren konnten. Allerdings blieb dieses Beförderungsmittel aus unerfindlichen Gründen stecken (der Ausdruck höhere Gewalt verbietet sich hier), wodurch dem geistlichen Würdenträger ein unverhofftes Stelldichein mit seinen Begleiterinnen in der Enge der Aufzugskabine beschert wurde. Die Eingeschlossenen machten durch Klopfzeichen auf ihre Lage aufmerksam und mußten von einem Techniker befreit werden – was Adrian Ailes in peinliche Verlegenheit stürzte, da er es gewesen war, der dem Kirchenmann und den Nonnen den Weg in den Aufzug gewiesen hatte.

Nach einem ausgiebigen englischen Frühstück und bei schönstem Wetter begann dieser Tag mit einem Ständchen für Frau Hahn, die Geburtstag hatte. Nach der Gratulation fuhren wir dann zu den „National Archives“ im nahegelegenen Kew. Es ist ein modernes Gebäude, das, umgeben von Wasser, mitten im Grünen steht.

Dort wurden wir von Adrian Ailes begleitet, einem Archivar, der seit 15 Jahren dort arbeitet. Er gab uns eine kurze Einführung, bevor er uns durch das Gebäude führte. Die „National Archives“ sind das offizielle Staatsarchiv von England, und es befinden sich dort Dokumente über etwa 1000 Jahre Geschichte, von Pergamenten über Schriftrollen aus Papier bis zu Digitaldokumenten bzw. Webseiten. Man findet dort auch Fotos, Plakate und Zeichnungen sowie auch etwa 6 Millionen Landkarten, nicht nur der britischen Inseln, sondern von überall auf der Welt.{1} Dennoch sind noch viele Urkunden anderswo untergebracht, wie Kirchenbücher, Testamente nach 1958, persönliche Papiere oder Tagebücher, Dokumente von Firmen, Armenhäusern und Schulen. Desgleichen werden die Dokumente von Wales, Schottland und Nordirland in den entsprechenden Regionen aufbewahrt.

Die Archivierung von Dokumenten wirft einige Probleme auf. So z. B. die Archivierung von elektronischen Dokumenten. Sollen e-mails und Webseiten archiviert werden, und wenn ja, welche Version? Wie soll man sie katalogisieren? Wie sie aufbewahren, so daß sie nicht nur heute benutzt werden können, sondern auch in ferner Zukunft. Interessanterweise scheinen Salzbergwerke gute Bedingungen wegen der dort herrschenden gleichmäßigen Temperatur zu bieten.

Bestimmte Dokumente werden nicht in den „National Archives“ aufbewahrt, z. B. werden zwar die offiziellen Dokumente der Premierminister dort aufbewahrt, aber nicht die Privatkorrespondenz, die man eher in Cambridge oder Oxford finden kann (z. B. die Tagebücher von Winston Churchill oder Margaret Thatcher).

Adrian Ailes zeigte uns auch, wie man am effektivsten mit der Website der „National Archives“ arbeiten kann, welche Dokumente man online ansehen kann.

Wir durften natürlich auch Originaldokumente ansehen, als erstes im „Safe Room/Invigilation Room“ das Testament von Shakespeare mit 3 Unterschriften, alle verschieden. Wir bekamen auch die Schriftrollen zu sehen, die bezeugen, daß Shakespeare es mit der Steuer offensichtlich nicht so genau nahm. Mochte er vielleicht keine Steuern bezahlen, sondern lieber was anderes mit dem Geld tun? Wie allzu menschlich!!!

Wir konnten unter anderem auch das Doomesday Book und die Magna Charta bewundern, zwei der ältesten und wichtigsten Dokumente zur englischen Geschichte.

Aber das Leben eines Archivars ist nicht nur grau wie der Staub der Jahrhunderte. Man kann interessante Objekte in alten Manuskripten finden, von der vergessenen Feder des Schreibers bis zu mumifizierten Vögeln oder Raten. Es kann aber auch voller Überraschungen sein, wie z. B., als Adrian Ailes einen Bischof und vier Nonnen aus Rom begleitete, die – wegen ihres Alters? – den Aufzug der Treppe vorzogen. Allerdings hörte er wenig später zufällig Klopfzeichen aus dem Aufzug: Bischof und Nonnen waren dort eingesperrt und konnten nicht weiter. Man wundert sich nur … Sie konnten aber ohne große Schwierigkeiten aus ihrer ungewöhnlichen Situation befreit werden.

Nach dem Besuch der „National Archives“ fuhren wir am Nachmittag von unserem Hotel in Brentford mit dem Zug nach London. Auf dem Weg zum Bahnhof, auf einem kleinen Platz neben dem Kanal, sagte uns Frau Hahn einige Worte über das Shakespeare-Stück, das wir am Abend im Globe sehen wollten, „Troilus und Cressida“. Sie erklärte die Handlung, stellte die Frage, ob es vielleicht ein Anti-Kriegstück sei (so wurde es zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg interpretiert) und erwähnte die „Winchester Geese“, die damalige Bezeichnung für die Dirnen, die in den Bordellen auf der Südseite der Themse arbeiteten, die dem Bischof von Winchester gehörten. Es besteht aber kein Zusammenhang mit der oben erzählten Anekdote aus dem Archiv: Honi soit qui mal y pense.

Von Waterloo Station liefen wir über die Brücke nach Westminster. Nicht nur der Weg war etwas beschwerlich, da ein Radrennen stattfand, sondern eine große Enttäuschung erwartete uns, denn Westminster Abbey war für Touristen geschlossen: Es war Samstagnachmittag. Wir konnten also die ehrwürdige alte Abteikirche (1245 unter Heinrich III. begonnen, 1745 mit dem Westturm beendet) nicht von innen besichtigen, sondern mußten uns also draußen mit der Erwähnung einiger Highlights begnügen: Chaucer, Newton, Darwin und andere liegen in Westminster Abbey begraben. „The Poet’s Corner“ ehrt prominente Persönlichkeiten, u. a. Shakespeare, der bekannterweise dort nicht begraben liegt. In der von Heinrich VII. errichteten Kapelle befinden sich die Grabmäler von Elisabeth I. und Mary Stuart. Zu erwähnen ist auch noch der „Stone of Scone“, ein von den Pikten als magisch verehrter Stein, zu welchem die frühen schottischen Könige geführt und stehend gekrönt wurden. Im Jahre 1296 ließ Eduard I. den Stein als Kriegsbeute nach London bringen und ihn unter den Sitz des „Coronation Chair“ einbauen, auf dem seit 1308 alle englischen Könige gekrönt wurden. Erst 1996 wurde der Stein in einer feierlichen Zeremonie zurück nach Schottland ins Schloß von Edinburgh gebracht. Aber eins konnten wir von außen sehen: die Statuen der Märtyrer des 20. Jahrhunderts, die die Westfassade von Westminster Abbey schmücken, darunter Maximilian Kolbe, Martin Luther King und Dietrich Bonhoeffer.

Danach trennten sich unsere Wege, die einen gingen „shoppen“, die anderen eroberten sich ein „Stück“ von London, die Bildungshungrigen besuchten Museen, und wir trafen uns alle wieder um 19.00 Uhr am Globe Theatre, wo wir uns die Aufführung von Shakespeares „Troilus und Cressida“ ansahen. Abgesehen von der einmaligen Atmosphäre, die diesem Theater eigen ist, hat mich persönlich die Aufführung nicht enttäuscht. Fast hätte sie mich für dieses Stück begeistert, und es ist ein gutes Beispiel, wie gekonntes Theaterspiel ein Stück zum Vibrieren und Leben bringen kann.

Nach der Aufführung ging es dann eilig zur Waterloo Station, damit wir noch rechtzeitig unseren Zug, unser Hotel und unser Bett erreichten, um am nächsten Tag wieder voller Tatendrang zu sein.

1 Die Engländer waren eifrige Abenteurer, Entdecker und Eroberer. Sicherlich ein Erbe aus der Normannischen Linie (Anmerkung der normannisch-stämmigen Verfasserin dieses Tagesberichts, die während der Exkursion wiederholt mit großer Genugtuung auf die normannische Eroberung Englands 1066 verwies).

Sonntag, 20.9.2009: Lizzy’s Day (Anne Sawade/Katharina Depner/Vera Kockler)

„Wir stellen uns jetzt vor’s Tor und weinen so lange, bis uns jemand die Karten abkauft.“

Zwei junge Damen, die vom Exkursionsleiter gebeten worden waren, unter Einsatz ihres Charmes überzählige Eintrittskarten für Hampton Court Palace zu veräußern. Sie waren erfolgreich, und eine von ihnen wurde ganz unerwartet reich belohnt, indem ein Amerikaner mittleren Alters und wahrscheinlich aus dem mittleren Westen ihr als Dank für den gewährten Preisnachlaß auf überfallartige Weise einen kräftigen Kuß auf die Wange drückte, sehr zum Erstaunen seiner ihn begleitenden Ehefrau als auch zur Überraschung der solcherart liebkosten Exkursionsteilnehmerin. Wie der Engländer sagen würde: „She got more than she bargained for.“

Bei strahlendem Sonnenschein führte uns die Fahrt zur Lieblingsresidenz Heinrichs VIII.: Hampton Court Palace. Der Palast wurde im 16. Jahrhundert im Auftrag des Lordkanzlers und Bischofs von York, Thomas Wolsey, errichtet. Nachdem Heinrich VIII. diesen 1525 zur Übergabe „überredet“ hatte, wurde Hampton Court systematisch ausgebaut und entwickelte sich zu einem der größten englischen Königspaläste.

In Hampton Court vereinigen sich mehrere architektonische Stile, wobei der Kern des Palastes der Tudor-Architektur zuzuordnen ist. Dazu zählen u. a. die Great Hall, der Pond Garden, die Chapel Royal, die Tudor Kitchens und die Astronomical Clock, welche die Zeit, den Tag, den Monat, die Mondphasen sowie die Gezeiten der Themse anzeigt. Zwischen 1689 und 1694 entstand unter König Wilhelm und Königin Maria der barocke Ausbau des Schlosses, der unter Georg II. beendet wurde. Seit Georg III. diente Hampton Court nicht mehr als ständiger Wohnsitz der Monarchen und wurde schließlich 1838 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zum Schloß gehören ausgedehnte barocke Gartenanlagen, in denen sich ein 1300 Quadratmeter großer Irrgarten sowie auch der ehemalige Tennisplatz Heinrichs VIII. befinden.

Bevor wir mit unserer individuellen Besichtigung beginnen konnten, erhielten wir überraschend eine interessante und ungewöhnliche Einführung über Hampton Court und die Leibesfülle Heinrichs von einem englischen Lehrer, der sein Deutsch verbessern wollte. Danach verteilte sich die Gruppe auf die verschiedenen Rundgänge durch das Schloß. Es bestand die Möglichkeit, Heinrichs Appartements und die Küche sowie Williams und Marys Appartements zu besichtigen sowie einen Blick in die georgianischen Gemächer zu werfen. Ein besonderes Highlight war die Küche, die nicht nur visuell sondern auch olfaktorisch eine Vorstellung vom täglichen Ablauf bei der Versorgung von über 500 Personen vermittelte.{2} Außerdem berichtete eine Dauerausstellung aus der „Jugend“ Heinrichs VIII., als er noch keine Ex- oder tote Ehefrau hatte.

Am Nachmittag zogen die Teilnehmer der Exkursion in kleinen Gruppen auf eigene Faust los, um ihre letzten Stunden in London zu gestalten. Einige kehrten mit dem Bus in unser Hotel nach Brentford zurück, um das nahegelegene Syon House, ein Adelspalais auf dem nördlichen Themseufer, sowie den dazugehörigen Garten zu besichtigen. Syon House and Garden in Brentford besteht aus verschiedenen Gebäuden und Parks, die auch ein Gartencenter und eine Kindertagesstätte einschließen. Heute gehört das Areal an der Themse dem Herzog von Northumberland, und die inneren Räume des Hauses werden noch regelmäßig von der Familie genutzt. Das Haus schließt einen Teil des früheren, 1415 von Heinrich V. gegründeten und 1539 von Heinrich VIII. aufgelösten Birgitten-Klosters ein. In den Besitz der Herzöge von Northumberland kam das Gelände unter Elisabeth I., die es dem neunten Grafen von Northumberland verpachtete. Diesem wurde unter James I. das Landgut schließlich offiziell verliehen. Um einen quadratischen Innenhof gruppieren sich eine innere und eine äußere Reihe Zimmer, deren Einrichtung zum größten Teil im Tudor/James I.-Stil erhalten ist. In den 1790er Jahren beauftragten der erste Herzog von Northumberland und seine Frau Robert Adam mit der Neueinrichtung im klassizistischen Stil. Dieser konnte jedoch nur in fünf Räumen vollständig durchgeführt werden. Verschiedene dekorative Elemente wurden von Joseph Rose, Andrea Casali und Cipriani ausgeführt. Zur selben Zeit erhielt Lancelot „Capability“ Brown den Auftrag, die Parks neu zu gestalten. Heute ist der Garten hauptsächlich im Stil des 19. Jahrhunderts gehalten und beherbergt 200 seltene Baumarten und verschiedene Holzskulpturen. Das große Gewächshaus aus Glas und Stahl wurde zwischen 1826 und 1830 nach Plänen von Charles Fowler gebaut. Im Dezember wird der Garten durch Lichtinstallationen zu einer faszinierenden unwirklichen Welt.

Den größten Teil der Gruppe verschlug es ins Stadtzentrum. Dort genossen einige die vielfältige Pracht der National Gallery. Wieder andere zogen auch an diesem Tag unermüdlich durch die Straßen, um möglichst viel von dieser faszinierenden Stadt in sich aufzunehmen. Das British Museum stand ebenso auf dem Plan wie die St. Paul’s Cathedral und der Tower – wenigstens von außen. Für mehr reichte die Zeit nicht, denn um 20.00 Uhr wurden alle in einem Konferenzraum des Hotels erwartet. Dort sollte ein Vortrag über Elizabeth I. und ihre Günstlinge gehalten werden. Doch statt der üblichen Referenten aus dem Kreise der Teilnehmer wurde die Gruppe von einer eifrigen „Journalistin“ begrüßt, die ihre Majestät „persönlich“ zum Interview geladen hatte. Leider wollte sich Lizzy trotz hartnäckiger Nachfragen nicht deutlicher zu ihren Liebschaften äußern, als es der Forschungsstand hergab. Trotzdem waren für den einen oder anderen durchaus neue Erkenntnisse über das Leben dieser großen Königin zu gewinnen. Im Anschluß an die Diskussion wurden die beiden Vortragenden aus ihren Rollen befreit und durften gemeinsam mit den anderen den Abend in der Hotelbar ausklingen lassen.

2 In mehreren der von uns während der Exkursion besuchten Stätten (u. a. auch in Dover Castle) werden offenbar künstliche Aromen benutzt, um die historischen Gerüche zu reproduzieren.

Montag, 21.9.2009: Canterbury Day 1 (Manfred Feser)

„Tauscht jemand sein Twin gegen ein Doppel?“

Nicht-Paar-Zimmergenossen im Chaucer Hotel in Canterbury, die sich nicht auf die bewährte Ein-Bett-Zwei-Decken-Lösung einlassen wollten.

Der Blick aus dem Hotelfenster in Brentford am frühen Morgen versprach einen strahlenden Tag mit blauem Himmel. Was erwartet man auch sonst in England außer Sonnenschein. Für den Vormittag war ein Besuch des „Museum of London“ vorgesehen. Weil wir sehr zeitig vor der Öffnungszeit des Museums in London eingetroffen waren, blieb Zeit, um noch um die St. Paul’s Cathedral herumzugehen und das Gebäude wenigstens von außen in Augenschein zu nehmen. Eine Besichtigung der Innenräume unterblieb nicht nur wegen der Kürze der Zeit sondern auch wegen der horrenden Eintrittspreise von 11 Pfund Sterling pro Person.

Das Stadtmuseum von London, 1976 eröffnet und erst seit 2005 um eine mittelalterliche Abteilung erweitert, will einen Überblick über die Stadtgeschichte bieten. Der Schwerpunkt unseres Besuches war das London während der Tudorzeit 1485–1603. Der Führer mühte sich redlich. Vielleicht dachte er, daß er es mit einer Volkshochschulgruppe zu tun hatte. Die wirklich interessanten Ausstellungsobjekte, die früheste gedruckte Karte Londons aus dem Jahr 1572 und die beiden Kupferplatten für die Landkartendrucke von 1553–59, erwähnte er nicht. Man durfte sie selbst suchen, was denn auch einigen gelang. Dafür erfuhr man, daß es in Londoner Kirchen in der Tudorzeit üblich war, Märkte abzuhalten und das Vieh hindurchzutreiben bzw. modebewußte Damen. Nein! Diese wurden nicht durch die Kirchenräume getrieben wie das liebe Vieh. Sie benutzten die Kirchenräume als „catwalks“, um die neueste Mode der interessierten Öffentlichkeit vorzuführen. Wie heute auch gab es in den Kirchen die obligatorischen Beutelschneider.

Wir wurden über die „Winchester Geese“ aufgeklärt, die in Southwark in der Nähe der Theater und Spielhöllen ihre Liebesdienste anboten. Die Vergnügungsstätten gehörten dem Erzbischof von Winchester, der daraus enorme Einnahmen bezog.{} }Die Gunstgewerblerinnen in Southwark wurden „Winchester Geese“ genannt, weil sie in ihrer weißen Gewandung laut kreischend die Freier vom anderen Ufer anzulocken versuchten, wobei sie nicht davor zurückscheuten, ihren Oberkörper zu entblößen. Das erinnerte vom anderen Ufer an schreiende Gänse. Ihre Werbemaßnahmen waren erfolgreich, denn vom anderen Ufer setzte sich regelmäßig eine Flotte von Wassertaxis in Bewegung, das übliche Transportmittel jener Zeit, weil man in den Straßen Londons im Matsch versank und der Hauptverkehr sich auf der Themse abspielte. Die Fahrt mit dem Wassertaxi kostete in dieser Zeit einen Penny. Shakespeare hat den „Winchester Geese“ in „Troilus und Cressida“ ein Denkmal gesetzt, wenn er Troilus am Ende des Stücks sagen läßt:

„It should be now, but that my fear is this: Some galled goose of Winchester would hiss. Till then I’ll sweat and seek about for eases, and at that time bequeath you my deseases.“

Am frühen Nachmittag ging die Fahrt weiter nach Canterbury. Die Zeit wurde genutzt, um die vom Wandern der letzen Tage müden Knochen auszustrecken und ein Nickerchen zu halten. Leider gab es aber, nun schon zum dritten Mal, einen Vortrag über die englische Gotik am Beispiel der Kathedrale von Canterbury, und das noch verstärkt durch die Lautsprecheranlage des Omnibusses. Der Vortrag war allerdings dermaßen einschläfernd, daß einige Teilnehmer/innen sich bald wieder in sanften Träumen wiegten und wenig mitbekamen, was auch nichts machte, weil man so etwas schließlich in diversen Kunstführern nachlesen kann, die in den „Gift Shops“ käuflich zu erwerben waren, wenn es denn einen interessierte.

Wir wurden in einem reizvollen Hotel, direkt an der Stadtmauer Canterburys gelegen, untergebracht. Das „Chaucer Hotel“ ist ein Fachwerkhaus mit knarrenden Holzfußböden, verwinkelten Gängen und dicken schwarzgefärbten Deckenbalken. Nach der Ankunft zerstreute sich die Gruppe, und man erkundete die Innenstadt. Einige stürzten sofort in die Kathedrale. Da wenige Touristen unterwegs waren, gestaltete sich die Besichtigung für die interessierten Besucher als Hochgenuß, und die Zeit bis zum Evensong wurde ausgiebig genutzt. Wir wurden kurz vor diesem sogar im hohen Chor eingesperrt. Überraschenderweise kamen nicht viele Besucher zum Evensong. Wir wurden vom Pfarrer persönlich als die Gruppe von der „Goethe University Frankfurt“ begrüßt! Danach erlebten wir die konkrete Umsetzung des „Book of Common Prayer“, welches wir vorher lediglich in der Theorie behandelt hatten, in Form eines perfekten Gesangs des Chores. Auf diese Weise mit Gottes und Elizabeths Segen versehen, ging es anschließend zum Abendmahl nach Chilham, einem original erhaltenen Tudordorf zehn Kilometer westlich von Canterbury. Dort wurden wir mit „Change Ringing“ von der nahegelegenen Kirche aus dem 12. Jahrhundert begrüßt. Der „Triple Bob Major“ mißlang allerdings kläglich. Die Glockenmannschaft muß wohl noch ein bißchen üben. Der Tag klang im mittelalterlichen Pub „The White Horse“ mit Wildtaube, Steak Wellington, Lachs, Apple Pie mit Custard Sauce und anschließend einem Whisky zwecks besserer Verdauung aus.

3 Es ist schon interessant, wofür sich Bischöfe so interessiert haben, ja, ja ... der Beaufort war schon einer! Erst will er Papst werden und dann so was. Er gehörte allerdings nicht zu den Tudors, solch Verhalten kann man diesen nicht anlasten, er war ein Lancaster und es war eine andere Zeit, und das ist außerdem eine andere Geschichte.

Dienstag, 22.9.2009: Canterbury Day 2 (Manfred Feser)

„What’s Schiller?“

So führte Dr. David Perkins in den Abendvortrag über Friedrich Schiller ein und erklärte, mit diesen Worten habe sich ein Schüler danach erkundigt, worum es denn bei dem Vortrag gehe.

Ein wahrhaft Turnerscher Sonnenaufgang ließ Canterbury Cathedral erstrahlen. Am Eingang der Kathedrale am Christ Church Gate wurde Dr. Müller mit der Schärpe und dem Abzeichen der Fremdenführer feierlich in den Orden der „Cathedral Guides“ erhoben. Nach dieser Zeremonie und der anschließenden Huldigung führte er uns professionell und professoral fach- und sachkundig{4} in die Geschichte der Kathedrale ein und durch letztere hindurch.

Im Anschluß an die Besichtigung des wundervollen Kirchenbaus stand der Besuch der „King’s School“ an. Wir wurden geführt von Dr. David Perkins, dem Head of History and Politics Department, der sich den ganzen Nachmittag und Abend für uns Zeit nahm.

Die Schule ist eine exklusive britische Boarding School und ist aus der Kathedralschule hervorgegangen. Angeblich geht sie zurück auf eine Schule, die um 600 vom Hl. Augustinus in Canterbury gegründet wurde. Der heutige Name bezieht sich auf Heinrich VIII., der die Schule 1541 neu gründete. Das Gelände der Schule erstreckt sich weitläufig von der Domfreiheit bis in die Nachbargelände jenseits der alten Stadtmauern. Rasenflächen mit Blumenrabatten und alten Bäumen sowie einem veritablen Obstgarten lockern das Gelände auf. Die Gebäude sind teilweise sehr alt und stammen noch aus der Zeit der normannischen Eroberung, so ein wunderschöner Treppenaufgang zum Gateway Chamber. Die Führung ließ es zu, die Wohnräume der Schüler und Lehrer zu besichtigen, sowie die Schulzimmer. In diesen herrschte bedrückende Enge und das bei einem Schulgeld von 30.000 Pfund Sterling pro Schüler und Jahr. Für ca. 1000 Schüler stehen allerdings über 100 Lehrer zur Verfügung.

Ein Besuch des Kathedralarchivs beendete den Rundgang. Hier wurden uns verschiedene Editionen des „Book of Common Prayer“ präsentiert sowie die Prozeßunterlagen über ein Gerichtsverfahren gegen Christopher Marlowe, der sich wegen einer Kneipenschlägerei, die er angezettelt hatte, zu verantworten hatte, dieser große Sohn dieser großen Stadt.

Am Abend fand ein gemeinsames Abendessen im Gateway Chamber der King’s School statt, zu dem wir von Dr. Perkins eingeladen waren. Hier trafen wir, in die feinste Abendkleidung, die unser Reisekoffer hergab, gewandet, auf einige Schülerinnen und Schüler dieser Eliteeinrichtung. Die jungen Gentlemen zeichneten sich durch ihre „stiff upper lip“ aus, die jungen Damen hingegen glücklicherweise nicht. Sie waren sehr zugänglich und wollten viel wissen über uns und unsere Schulen und Universitäten. Nach dem wohlschmeckenden indischen Abendessen und einem noch vorzüglicheren französischen Wein dazu{5} gingen wir gestärkt und beschwingt in den Hörsaal, wo Herr Müller auf Einladung der King’s School einen Vortrag über Friedrich Schiller als Historiker und Dramatiker hielt{6}, der vom illustren Auditorium wohlwollend aufgenommen und anschließend rege diskutiert wurde.

Der Abend klang in einem nahegelegenen Pub („The Peacock“) bei einem ordentlichen Bier aus. Auf dem Rückweg zum Hotel traf uns alle beinahe der Schlag, als wir die halbausgezogene minderjährige Weiblichkeit Canterburys bewundern durften, die aus einen Szenetreff torkelte. Da schweigt des Sängers Höflichkeit... Nachdenklich wanderten wir weiter zum Hotel und suchten bei einem guten irischen Whiskey diesen Schock zu verarbeiten, was mühelos gelang, denn solche Auswüchse wie „stiff upper lip“ bei englischen „schoolboys“ und halbnackte Engländerinnen können nicht den Gesamteindruck von Canterbury trüben, schon gar nicht, was das grandiose Bauwerk der Kathedrale betrifft. Das ließ uns sogar die müde, trübe, unfreundliche englische Bedienung im Hotel am nächsten Morgen beim Frühstück ertragen.

4 Anm. des Cathedral Guide J. Müller: Herr Feser stellt den Sachverhalt sehr schmeichelhaft dar. Er selbst hat uns während der ganzen Reise als sehr kompetenter Kenner der Kathedralen sehr nützliche Dienste geleistet.

5 Wie das zusammenpaßt, kann der Verfasser nicht recht erklären. In Indien trinkt man zu solch einem Abendessen üblicherweise Wasser, und er weiß das, hat er doch viele Jahre dorten verbracht. Aber vielleicht gehört die Kombination von indischem Essen und französischem Wein zur Kultur der „upper class“ in England einfach dazu, das Essen aus der ehemaligen Kolonie Indien und der Wein aus Frankreich, dem ehemaligen Kolonialgebiet der englischen Könige im Mittelalter. Die Schule heißt ja immerhin King’s School.

6 „A Master-Spirit of his Century“: Friedrich Schiller – Poet and Historian in Weimar around the Year 1800“.

Mittwoch, 23.9.2009: Cambridge Day (Vera Kockler)

„Magdalene’s College hat im Jahr 1989 weibliche Studierende zugelassen, und noch heute tragen Studenten am Jahrestag dieses Beschlusses schwarze Armbinden.“

Erläuterung von Lisa Niemeyer/Pembroke College zu den Fortschritten der Emanzipation in Cambridge.

An diesem Morgen stellte sich uns bei der Fahrt nach Chilham die Frage nach dem ersten Regentag unserer Reise. So wurden dann nach der Ankunft in dem kleinen Tudor village vorsichtshalber die Exkursionsregenschirme aufgespannt. Aber wir hatten Glück, nach ein paar Tropfen hatte es sich für den Rest des Tages (und der ganzen Exkursion überhaupt) ausgeregnet.

Die beiden ältesten Gebäude an dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Markplatz sind der Tudor Lodge Gift Shop (1370–1410) und die Peacock Antiques (1450–1480). An der Südseite des Marktplatzes befindet sich eine im 12. Jahrhundert unter Heinrich II. erbaute Kirche. Deren angeschlossener alter Friedhof wird im hinteren Teil bis heute noch genutzt. Hier steht auch ein Baum mit einer wirklich tragischen Geschichte. Er überlebte 1300 Jahre, um dann bei einem Sturm 1987 von anderen Bäumen zerschlagen zu werden. Zwischen Kirche und Marktplatz befindet sich der White Horse-Pub aus dem 16. Jahrhundert und gegenüber auf der Nordseite des Platzes das Chilham Castle von 1616. Für Fans von Jane Austen birgt der kleine Chilham einen weiteren Reiz, denn das Dorf war Drehort für die Verfilmung ihres Romans Emma.

Gegen 10.00 Uhr war es Zeit für die Weiterfahrt nach Cambridge. Dort nahm uns Lisa Niemeyer am Pembroke College in Empfang. Lisa hat an der Goethe-Universität in Frankfurt vor einigen Jahren ihren Magister in Neuerer Geschichte gemacht und ist dann nach Cambridge gegangen, um dort zu promovieren. Bevor sie mit ihrer Stadtführung begann, hieß es erst einmal tea time im Graduate Parlour, dem Aufenthaltsraum der Masterstudenten und Doktoranden. Bei einer Tasse Tee erhielten wir die ersten Informationen über Cambridge, das Studentenleben und das Pembroke College. Mit großen Interesse hörten wir von einer uns fremden Welt, in der an Traditionen, wie dem Tragen von nach Rang und Fakultäten unterschiedlichen gowns oder dem gemeinsamen, nach festen Regeln ablaufenden Essen in der großen Halle, festgehalten wird.

Nachdem alle ihren Tee ausgetrunken hatten, startete unser Cambridge-Rundgang im Pembroke College. Es ist das drittälteste von insgesamt 31 Colleges, und zwei seiner berühmtesten Studenten waren William Pitt der Jüngere und Edmund Spenser. Seine Gründung verdankt es, so geht die tragische Legende, einem traurigen Ereignis im Leben seiner Gründerin Marie de Saint-Pol (ca. 1303–?). Ihr Mann, Aymer de Valence (1275–1324), der 2. Earl of Pembroke, starb angeblich am Tag der Hochzeit 1621 bei einem Ritterturnier, und die 17jährige Witwe ging daraufhin ins Kloster.{7} Mit ihrem Vermögen gründete sie bei Klostereintritt 1347 das College. Als Zweitnamen trägt es den Titel „The Poets’ College“ und pflegt seit langem eine große Verbindung zum nahen und fernen Osten. Die meisten der heute noch bestehenden Gebäude stammen aus dem 19. Jahrhundert. Um das alte Zentrum, den First Court, waren alle notwendigen Gebäude gruppiert, und nach und nach wurden weitere dazugebaut. Einer davon, der Ivy Court, stammt aus dem 16. Jahrhundert. Seit 1983 sind auch Frauen am College zugelassen. Dies erscheint spät, doch das letzte College, welches seine Tore für Frauen öffnete, war das Magdalene’s College 1989. Bis heute tragen die männlichen Angehörigen am Jahrestag dieser Entscheidung schwarze Armbinden als Zeichen der Trauer.

Wir setzten unseren Spaziergang an der Cam entlang fort, von wo die Rückseite mehrerer alter Colleges mit ihren Parkanlagen oder Viehweiden zu sehen sind. Das hier liegende Clare College ist das zweitälteste, und wir unternahmen einen Kurzbesuch in dessen Fellow Garden. Dieser schließt auch einen Küchengarten aus dem Mittelalter mit ein, und die Beete sind nach Farben angelegt. Im Anschluß besichtigten wir die King’s Chapel, welche die größte der College-Kapellen in Cambridge ist.

Es wird erzählt, daß vor 800 Jahren, 1209, die ersten Studenten als „Flüchtlinge“ aus Oxford kamen und sich hier in Cambridge niederließen. Schnell dominierte die Universität das Stadtbild, und bis heute gehören ca. 95% der Gebäude in der Altstadt dem verschiedenen Colleges. Ursprünglich war Cambridge eine Markt- und Handelsstadt, von dessen Geschichte noch heute die nebeneinanderliegenden Marktplätze Market Hill und Peas Hill zeugen. In unmittelbarer Nähe liegen das Senate House, in dem die akademischen Titel (grades) verliehen werden. Dessen Eingang wird „Demutstor“ genannt und sein Ausgang „Ehrentor“. Gegenüber befindet sich die Great St. Mary’s Church, die älteste Kirche, welche sich ursprünglich die Colleges teilten. Heute ist sie die offizielle Universitätskirche, und von ihr aus werden alle Entfernungen gemessen, z. B. der Radius, in dem die Undergraduates wohnen müssen oder kein Auto besitzen dürfen. Von hier aus ging unsere Stadtführung an weiteren Colleges vorbei. Das Trinity College ist das größte und reichste, und sein wohl berühmtester Student war Isaac Newton. Noch heute wird immer wieder ein Sprößling des Apfelbaumes vor dem Tor gepflanzt, der Newton zu seiner Theorie über die „Himmelsmechanik“ inspiriert haben soll. Daneben befindet sich das St. John’s College, das zweitgrößte in Cambridge. Es besitzt die einzige überdachte Brücke in Cambridge, die sogenannte „Bridge of Sighs“, die Seufzerbrücke. Ihr Name bezieht sich auf die Studenten, welche auf dem Weg zu ihrem Examen die Brücke überqueren. Eine weitere berühmte Brücke über die Cam ist die „Mathematical Bridge“, die angeblich von Newton ganz ohne die Verwendung von Schrauben und Nägeln konstruiert wurde. In Wahrheit wurde die Brücke über zwei Jahrzehnte nach Newtons Tod gebaut, wobei sehr wohl Eisennägel und Schrauben Verwendung fanden. Bekannt sind die Stadt und ihr Fluß auch für die Stechkahnfahrten, das Punting, als „Gondoliere“ arbeiten vor allem Studenten.

Mittlerweile waren wir mit unserem Rundgang am Nordende der Altstadt angekommen, am Aussichtspunkt Castle Mound. Er ist der Überrest eines durch Wilhelm den Eroberer gebauten militärischen Forts, das jedoch nie benutzt wurde. Unter Edward I. wurde es wieder abgebaut und die Steine verkauft. Sie wurden u. a. für den Bau verschiedener Colleges und der Great St. Mary’s Church verwendet. Von diesem Punkt aus ist auch die Universitätsbibliothek zu sehen, die von demselben Architekten entworfen wurde wie die roten Telefonzellen. Eine Ähnlichkeit im Aussehen beider ist nicht abzustreiten. Hier endete unser Stadtrundgang, und die nächsten zwei Stunden standen zur freien Verfügung. Wir bedankten uns bei Lisa Niemeyer herzlich für ihre ausführlichen Erklärungen und verabschiedeten sie. Als Tagesausklang trafen sich alle Exkursionsteilnehmer um 19.00 Uhr zu einem gemeinsamen Abendessen im Gebäude des 1835 gegründeten „Pitt Club“, einem Treffpunkt der konservativen Studenten. Das Erdgeschoß des Hauses wurde 1997 für 25 Jahre an die Restaurantkette „Pizza Express“ verpachtet. Der Name des Restaurants sollte nicht abschrecken: Man speist dort vorzüglich und braucht sich dabei auch nicht zu beeilen.

7 So schön die Legende ist, so deuten doch die historischen Zeugnisse auf ein prosaischeres Ableben des Grafen hin: Er verstarb im Jahr 1324, als er sich auf einer Mission nach Frankreich befand, in der Pikardie an einem Schlaganfall (Oxford Dictionary of National Biography, 2004).

Donnerstag, 24.9.2009: Burghley Day (Céline Volders)

„Na, wie schaut’s aus: hier heiraten?“

Beim Besuch von Burghley House, einem der prächtigsten Adelspaläste Englands, von mehreren Exkursionsteilnehmerinnen mit tränenfeuchtem Blick und bebender Stimme geäußerter Wunschtraum.

Nachdem wir unser erstes Kontinentalfrühstück (diesmal kein englisches Frühstück bestehend aus Bratwürsten, Bacon, gegrillten Tomaten und Champignons, Toast und Bohnen) dieser Reise eingenommen hatten, fuhren wir um 9.00 Uhr in Richtung Stamford los. Dort kamen wir um 10.15 Uhr an. Auf dem Programm stand die Besichtigung von Burghley House and Gardens.

Burghley House wurde 1555 im Auftrag von Sir William Cecil erbaut (Lord High Treasurer von Elisabeth I.), die Gärten und Parkanlagen wurden von Lancelot „Capability“ Brown entworfen. Burghley House war Filmkulisse für folgende Werke: „Elisabeth: The Golden Age“; „Pride and Prejudice“; „Da Vinci Code“.

Wir begannen mit einer neunzigminütigen Führung. Im First Court befinden sich die Arbeitsräume (Brauerei, Schlachthaus, Waschhaus), dann folgt die Küche: sie ist nahezu im Originalzustand, es wurde nicht viel verändert. Gleich neben der Küche befindet sich der sogenannte Glockenraum (Klingeln für das Hauspersonal). Eine Treppe führt ins erste Obergeschoß. Unsere Führerin wies darauf hin, daß bis zum Dach „original Tudor stairs“ führen. Wir betraten die Kapelle, von dort aus kann man die Terrassen (Patios) sehen. Dann geht es zum Billiardraum, Speiseraum (dessen Decke in den 1990er Jahren restauriert wurde) und in den Ruheraum (in dem Gemälde u.a. von Gainsborough ausgestellt sind). Nun kamen wir zu den Schlafzimmern: Queen Elizabeth’s Room (obgleich sie nie dort übernachtete), The Pagoda Room (das ein Bad und einen Ankleideraum beinhaltet), The Blue Silk Bedroom, The Blue Silk Dressingroom (mit Delfter Porzellan, chinesischen und japanischen Vasen). Dann ging es zum First George Room, zu dem ein Ankleidezimmer gehört. Dort gibt es Holzschnitzereien von Gibbons. Der Second George Room war Königin Victorias Schlafzimmer. Dann der Third George Room mit einem Deckengemälde von Antonio Verrio (1639–1707) und Figuren aus Meißner Porzellan, die The Four Senses darstellen. Dann geht es zum Fourth George Room und zum Heaven Room. Dieser Raum ist Verrios Meisterwerk (Wände und Decke sind bemalt, sie stellen den „Himmel“ dar). Durch den Hell Staircase (Verrio hat hier sein Bild der „Hölle“ gemalt) geht es hinunter zur Great Hall (Dinner- und Ballsaal), die auch als Bibliothek genutzt wird. In den Bücherschränken befinden sich zahlreiche bibliophile Kostbarkeiten wie z. B. alte Ausgaben von Vergil und weiteren Klassikern.

Von dort aus ging es zum Ende der Besichtigungsrunde in den Olympic Corridor. David (Burghley) Cecil, 6. Marquess of Exeter, nahm an den Olympiaden 1924 und 1928 teil. 1928 gewann er in Amsterdam die Goldmedaille in der Disziplin 400m Hürden. In den 1980er Jahren wurde sein Leben verfilmt (Chariots of Fire), im Olympic Corridor sind seine Medaillen und Pokale ausgestellt. Er hatte ausschließlich weibliche Nachkommen (4 Töchter), und so fiel der Titel an seinen jüngeren Bruder, der nach Kanada auswanderte. Nach dessen Tod erhielt sein Sohn den Titel, er lebt in Oregon. Die älteste Tochter von David Burghley wohnt mit ihrer Familie in Burghley House. Nach der Führung bestaunten wir noch die Gärten und Parkanlagen, suchten den Giftshop auf und fuhren dann nach Cambridge zurück (Ankunft 15.40 Uhr).

Einige zogen es vor, ins Hotel zurückzufahren, um sich vor dem Abendkolloquium noch etwas auszuruhen. Andere wollten noch einmal Cambridge besichtigen, da am Vortag nicht viel Zeit dafür vorgesehen war. Sie sahen sich den Market Place, St. Johns College und den Cambridge University Press Bookshop an und bestiegen den Turm der St. Mary’s Church, von dem aus man einen wunderbaren Blick über die Innenstadt von Cambridge hat.

Um 20.00 Uhr hielt Monika Hahn im Konferenzraum des Hotels ein Referat zum Thema „Shakespeare“. Es ging allerdings nicht um sein Werk, sondern seine Lebensumstände: wer waren sein Eltern, wie war seine Kindheit und Jugend, wo wurde er geboren, wo und wie hat er gelebt und gearbeitet ? Das Referat soltel uns auf den nächsten Tag vorbereiten, an dem wir Stratford besichtigten, u. a. Anne Hathaway’s Cottage und das Geburtshaus Shakespeares.

Freitag, 25.9.2009: Will’s Day (Monika Hahn)

Lukullische Höhepunkte des Tages: morgens erfrischende Gurkensandwiches in Kenilworth Castle; nachmittags Tee und Scones in Stratford mit anschließendem Fine Ruby Port, abends ein wunderbares Dinner im Hotel Salford Hall. Lediglich der beim Picknick verabreichte Orangensaft warf in geschmacklicher und optischer Hinsicht Fragen auf. Es wurde spekuliert, ob er vielleicht aus altem Frittenfett hergestellt wird, was aber von der belgischen Exkursionsteilnehmerin Céline V. dementiert wurde. Wahrscheinlich hat sie Recht, altes Frittenfett (zumal belgisches) ist gewiß viel aromatischer und schmackhafter als Tesco’s „Super Bargain Orange Juice“.

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es wieder früh los: Um 8.15 Uhr war Abfahrt nach Kenilworth. Nach ca. 1 ½ Stunden erreichten wir Kenilworth Castle, ca. 8 km südwestlich von Coventry/Warwickshire und Partnerstadt von Eppstein/Ts., dem Wohnort der Protokollantin dieses Tages.

Kenilworth Castle ist eine der größten Burgruinen Englands Die erste Burganlage hat Geoffrey de Clinton, Kammerherr und Schatzmeister von Heinrich I., hier errichtet. Diese wurde dann mehrfach erweitert. So wurde im 13. Jahrhundert ein äußerer steinerner Mauerring hinzugefügt und zur Verbesserung der Verteidigungslage der Burg ein großer See aufgestaut. Die „Great Hall“ mit ihren großen Fenstern, die eher an Kathedralenfenster denken lassen, wurde um ca. 1380 von John of Gaunt erbaut. Aus der wechselvollen Geschichte der Burg sei hier nur noch erwähnt, daß Königin Elisabeth I. Kenilworth Castle 1563 ihrem Günstling Robert Dudley, Earl of Leicester, übertrug, der sie zur Schloßanlage ausbaute.

1575 ließ dieser anläßlich des Besuches Elisabeths I. auf Kenilworth Castle die Gärten (Elizabethan Gardens) anlegen. Die heutige Rekonstruktion des Gartens basiert auf einer detaillierten Beschreibung aus dem 16. Jahrhundert von Robert Langham. Im Zentrum steht ein Springbrunnen mit einer Skulptur aus weißem Mamor: „two Athlants, joined together... with their hands upholding a fair-formed bowl of three feat over“ (Langham). In den Beckenrand des Brunnens sind Szenen aus Ovids „Metamorphosen“ eingemeißelt. Die Lauben sowie die Volière sind typische Bestandteile elisabethanischer Gärten.

Unterhalb der Burg befinden sich Leicester’s Building, ein Haus, das Graf Leicester 1571 zur Unterbringung Elisabeths I. und ihres Personals errichten ließ, sowie das Gatehouse und die Stallungen. Der Graf of Leicester starb 1588 ohne Nachwuchs. Die Burg fiel zurück an die Krone, zunächst an James I., dann an Charles I. Im Jahr 1650 wurde sie im englischen Bürgerkrieg von britischen Parlamentstruppen zerstört.

Das beeindruckende Panorama von Kenilworth Castle war die ideale Kulisse für ein Picknick, das von der zuständigen Picknick-Crew gut organisiert worden war. Wie vom Exkursionsleiter im Juli geplant, fand dieses Picknick bei strahlend blauem Himmel statt. So waren wir gestärkt für das weitere, zeitlich sehr straffe Programm dieses Tages.

Die nächste Station war das Anne Hathaway Cottage in Shottery bei Stratford, das Elternhaus von Anne Hathaway (1556–1623), der Frau William Shakespeares, in dem diese vor ihrer Heirat im Jahre 1582 lebte. Das teilweise aus dem 15. Jahrhundert stammende Haus ist ein Fachwerkhaus mit Reetdach und einem schönen Garten.

Noch bis 1911 bewohnten Nachfahren der Familie Hathaway das Haus. Die Möbel stammen aus dem 16.–19. Jahrhundert. Die Führung begann in der „guten Stube“ mit einer Sitzbank am Kamin, auf der – so wird spekuliert – Shakespeare Anne Hathaway seinen Heiratsantrag gemacht haben könnte. Von hier führt eine schmale Treppe ins Obergeschoß mit den Schlafräumen und Gästezimmer. Wichtigste Einrichtungsgegenstände sind ein mit kunstvollen Schnitzereien verziertes Eichenbett mit rotgrünen Vorhängen aus dem 16. Jahrhundert und ein Lehnstuhl, in den Details aus Shakespeares Wappen eingeschnitzt sind. Über eine weitere Treppe gelangt man in die Küche mit offenem Kamin und Brotbackofen.

Um 13.55 Uhr fuhren wir weiter zum ca. 1,6 km entfernten Stratford-upon-Avon, wo wir um 14.15 Uhr Shakespeares Geburtshaus in der Henley Street besichtigten. Das Gebäude wird vom „Shakespeare Birthplace Trust“ verwaltet. Über das Besucherzentrum erhält man nach einer multimedialen Präsentation Zugang zum eigentlichen Haus. Highlight dieser Vorschau: In einer Vitrine liegt die First Folio-Ausgabe (1623) der Werke Shakespeares aus.

Der Rundgang führt durch das Wohnzimmer mit der Nachbildung eines Bettes aus dem 16. Jahrhundert (das Original haben wir bereits im Anne Hathaway Cottage gesehen) und den Saal mit großem Kamin. Im hinteren Teil des Hauses ist heute ein Ausstellungsraum mit Werkzeugen der Handschuhmacher, dem Handwerk, das Shakespeares Vater ausübte. Man nimmt an, daß hier früher seine Werkstatt war. Im Obergeschoß befinden sich die Schlafzimmer, u. a. „Shakespeares Geburtszimmer“. Ein weiterer Raum zeigt Exponate zur Geschichte des Hauses, darunter die Fensterscheiben, in die namhafte Besucher ihre Namen eingeritzt haben (Thomas Carlyle, Walter Scott, John Keats, Charles Dickens, Mark Twain, Thomas Hardy u. a.).

Weiter geht es auf Shakespeares Spuren zu folgenden Gebäuden:

Im Anschluß an die gemeinsamen Besichtigungen blieb noch etwa eine Stunde zur freien Verfügung. Leider waren das Royal Shakespeare Theatre und Swan Theatre wegen Umbauarbeiten geschlossen. Insgesamt gibt es in Stratford noch auffallend viele schöne alte Fachwerkhäuser, zum Teil aus dem 16. Jahrhundert, so z. B. „Garrick Inn“, die Hotels „The Shakespeare Hostel“ und „The Falcon“ sowie „Christopher Marlowe’s“.

Um 17.00 Uhr fuhren wir mit dem Bus weiter zum Best Western Hotel in Salford Abbey, einem ehemaligen prächtigen Herrensitz aus dem 16. Jahrhundert im Tudorstil. Nach dem Abendessen – die Küche des Hauses ist sehr zu empfehlen – trafen wir uns um 20.30 Uhr zu einem ebenso informativen wie heiteren Abendkolloquium über Jane Austen mit Ausschnitten aus BBC-Verfilmungen ihrer Werke – als Vorbereitung auf den folgenden Exkursionstag. Einmal mehr zeigte dieser Tag, was für die Exkursion allgemein kennzeichnend war: die vielseitige Verbindung verschiedener Bereiche wie Geschichte, Architektur, Kunst, Natur und Literatur.

Samstag, 26.9.2009: Jane’s Day (Astrid Wolff/Jürgen Müller)

„Er sagt nichts Großes, aber Gewichtiges.“

Charakterisierung des Exkursionsleiters durch eine Teilnehmerin – offenbar als Kompliment intendiert. Jedenfalls zieht der Exkursionsleiter diese Deutung vor, wobei er sich auf Schillers Vers im „Wallenstein“ stützen kann: „Nicht das Große, das Menschliche geschehe.“

On the road we were, und es sollte Jane’s Day werden. Der wiederum phantastisch blaue Himmel wurde um 8.47 Uhr hinter orangefarbenen Vorhängen versteckt: Während der Weiterfahrt nach Winchester galt es, das Jane Austen-Kolloquium nachzubereiten – eine Verfilmung von „Mansfield Park“ war hier das probate Mittel. Wir durchlitten mit Fanny Price die Kälte ihres Mansardenzimmers und ihrer Tante, empörten uns über die herausragende gesellschaftliche Stellung eines Mopses ebenso wie über weibliche Intrigen und weinten um verschmähte Liebe genauso heiße Tränen wie über die Schönheit der Parkanlagen.

Derart gestärkt, erreichten wir nach etwa zweieinhalb Stunden unser erstes Ziel an diesem Tag, die ehemalige Hauptstadt des Königreichs Wessex, Winchester. Die Stadt ist heute die Hauptstadt des County Hampshire und zählt etwa 36.000 Einwohner. Ferner ist Winchester ein anglikanischer Bischofssitz. Die erste Kirche wurde bereits im 7. Jahrhundert errichtet, im 11. Jahrhundert wurde dann die romanische Kathedrale gebaut.

Der Kirchenbau ist ebenso beeindruckend wie derjenige von Canterbury. Das Kirchenschiff mißt 168 Meter und ist damit das zweitlängste in Europa. In der Kathedrale wird die wertvolle Winchester-Bibel aus dem 12. Jahrhundert aufbewahrt. Für die Tudor-Zeit ist Winchester deshalb von Bedeutung, weil hier im Jahr 1554 die Heirat von Mary Tudor und Prinz Philipp von Spanien stattfand, die Trauung wurde vollzogen von Bischof Stephen Gardiner. Und schließlich liegt in der Kathedrale die Autorin Jane Austen begraben, die im Jahr 1817 im Alter von nur 41 Jahren früh verstarb.

Während des Besuchs fand in der Kathedrale ein Gottesdienst für die diesjährigen Konfirmanden statt, an dem sich mindestens zwei Mitglieder unserer Gruppe beteiligten, freundlich eingeladen von den englischen Gottesdienstbesuchern.

Nach diesen anrührenden und aufregenden Stunden verlangte die Seele nach Ruhe, den einige in einem Spaziergang fanden: Es ging am idyllischen River Itchen entlang zum Hospital of St. Cross, „England’s oldest and most perfect almshouse“, dem ältesten durchgängig bewohnten Armenhaus Englands, dessen wesentliche Gebäudeteile im Mittelalter und in der Tudorzeit entstanden.

Kurz nach 14.00 Uhr traf sich die ganze Gruppe wieder am Busparkplatz. Bevor wir die Fahrt fortsetzten, demonstrierten wir die Nützlichkeit der mitgeführten Exkursionsschirme als Sonnenschutz, was von einem freundlichen Busfahrer im Bild festgehalten wurde. Anschließend fuhren wir nach Chawton, ein kleines Dorf etwa 30 Kilometer östlich von Winchester gelegen. Hier erhielten wir im „Jane Austen’s House Museum“ weiteren Einblick nicht nur in das Herz unserer Romanheldinnen, sondern vor allem in die Lebensumstände Jane Austens in den letzten Jahren vor ihrem Tod – es war ihre wichtigste literarische Schaffensperiode. Hier, fernab des ungeliebten Trubels von Bath, ohne finanzielle Nöte und in der Gewißheit, durch einen ihrer Brüder dauerhaft ein neues Heim gefunden zu haben, überarbeitete sie Entwürfe früherer Jahre (Pride and Prejudice, Sense and Sensibility, Northanger Abbey) und verfaßte die letzten ihrer großen Romane (Mansfield Park, Emma, Persuasion). In den 8 Räumen des Hauses kann man zahlreiche Originalmöbel und Gegenstände aus der Zeit von Jane Austen bewundern. Das wohl spektakulärste Stück dürfte die Haarlocke von Janes Austen sein, die sich in einer Schublade befindet. Es sind auch noch Handarbeiten von Jane und ihrer Schwester Cassandra vorhanden, ferner werden Originalbriefe der Autorin ausgestellt, sowie einige Erstausgaben ihrer Romane, die heute in Antiquariaten zu Preisen von etwa 500.000 Euro gehandelt werden. Hinter dem Cottage liegt ein wunderschöner Garten, in den sich Jane Austen oft mit ihrer Schwester aufgehalten hat.

Um 16.00 Uhr fuhren wir weiter nach Dover, wo wir um 18.30 Uhr eintrafen und im gleichen Hotel Quartier bezogen, in dem wir schon die erste Nacht auf englischem Boden verbracht hatten. Nach einem gemeinsamen Abendessen, bei dem Worte des Dankes und der Befriedigung über den reibungslosen Ablauf der elftägigen Fahrt ausgetauscht wurden, begannen einige Teilnehmer/innen Pläne für künftige Unternehmungen zu schmieden: Die Tudors begleiteten uns zehn Tage, aber was ist mit den Stuarts, den Häusern Lancaster und York? Sollten wir nicht …?

Sonntag, 27.09.2009: Coming Home Day (Jörg Jordan)

„Oh, Mr. Bennett!“

Vielfach wiederholter Ausruf von Mrs. Bennett in der Verfilmung von „Pride and Prejudice“. Je nach Intonation kann der Ausruf folgendes bedeuten: Unzufriedenheit oder Zufriedenheit, Empörung oder Belobigung, Verzweiflung oder Glückseligkeit. Jane Austen gibt damit ein sehr anschauliches Beispiel für die polysemantische Struktur weiblicher Verbaläußerungen, die besonders stark ausgeprägt scheint bei langjährigen Ehefrauen, die sich Laufe ihres Ehelebens in dieser Hinsicht eine Expertise erworben haben, bei der sich sprachliche Ökonomie, Variabilität der Intonation, emotionale Ausdruckskraft und zielgerichtete Zweckrationalität auf das Trefflichste vereinen. – Es wurde berichtet, daß einige junge Studentinnen im hinteren Teil des Busses sich durch häufiges Nachsprechen eifrig bemühten, ihre verbalemotionale Artikulationsfähigkeit zu verbessern. Ob dies im Hinblick auf bestehende oder künftige Partnerschaften geschah, muß offenbleiben.

Hatte sich der Reiseverlauf insgesamt durch die pünktliche Einhaltung des festgelegten Zeitplans durch alle Reiseteilnehmer ausgezeichnet, so galt dies auch für den letzten Tag der Exkursion, den Heimreisetag von Dover nach Frankfurt. Der Bus mit der vollzähligen Reisegesellschaft startete am Ramada Hotel in Dover pünktlich 8.00 Uhr Ortszeit und erreichte den Campus Westend in Frankfurt – wie schon seit dem vorläufigen Exkursionsplan vom Mai 2009 vorgesehen – um 20.00 Uhr c.t. MEZ. Selbst ein technischer Defekt am Reisebus, der uns etwa eine Stunde vor der Ankunft überraschte, konnte daran nichts ändern.

Im sonnigen Frühherbst gestaltete sich der Abschied von England im Rückblick von der Fähre auf die langsam entschwindende Kreideküste von Dover zu einem besonderen Erlebnis landschaftlicher Romantik, dessen Sentimentalität sich wohl nur Wenige entziehen konnten.

Im Anschluß an einen der inhaltlichen Schwerpunkte des Programms am Vortag, dem „Jane’s Day“, diente die lange Busreise zu einem wesentlichen Teil zur kollektiven Vertiefung dieses literarischen Exkursionsthemas: Die viereinhalbstündige BBC-Verfilmung des Austen-Romans „Pride and Prejudice“ von 1995, die als die den Intentionen der Schriftstellerin kongenialste gilt, wurde über die Busmonitore eingespielt. Im übrigen nutzten die Reiseteilnehmer diesen durch die Busfahrt ausgefüllten Reisetag zur persönlichen wissenschaftlichen Nachbereitung der Exkursion im individuellen, schöpferischen inneren Monolog.

Daß das wissenschaftliche Studium des Historikers an der Goethe-Universität die Fähigkeit zu ganz handfester, handwerklicher Problembewältigung jedenfalls bei ihm nicht beeinträchtigt hat, bewies Jochen Nimbler beim Halt an der Raststätte Heiligenroth bei Montabaur, eine knappe Stunde vor Frankfurt. Dort mußte ein schadhafter Reifen ausgewechselt werden, und es war Jochen, der dem Fahrer einen wesentlichen Teil der schmutzigen, viel Krafteinsatz verlangenden Arbeiten mit dem Kreuzschlüssel abnahm.{8}

Der Abschied der Reiseteilnehmer vom Exkursionsleiter und -organisator Dr. Müller und voneinander nach der Ankunft am Campus Westend der Goethe-Universität war gekennzeichnet durch

8 Der unvorhergesehene Zwischenfall war die letzte einer ganzen Reihe von Begebenheiten im Verlaufe der Exkursion, durch die das Humboldtsche Ideal der umfassenden Charakterbildung und Persönlichkeitsentfaltung seine praktische und lebensnahe Anwendung fand. Die Exkursion hat somit nicht nur in vielfacher Weise zur konkreten Veranschaulichung von Geschichte geführt, sondern darüber hinaus der Verflachung und Verarmung des Studiums im Zuge des „Bologna-Prozesses“ entgegengewirkt. (Anm. des Exkursionsleiters).


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